Schlaf ein, mein süßes Kind!
Da draußen singt der Wind.
Er singt die ganze Welt zur Ruh',
deckt sie mit weißen Betten zu.
Und bläst er ihr auch ins Gesicht,
sie rührt sich nicht und regt sich nicht,
aus ihren weißen Decken.

Schlaf ein, mein süßes Kind!
Da draußen geht der Wind,
pocht an die Fenster und schaut hinein,
und hört er wo ein Kind noch schrei'n,
da schilt und brummt und summt er sehr,
holt gleich sein Bett voll Schnee daher
und deckt es auf die Wiegen,
wenn's Kind nicht still will liegen.

Schlaf ein mein süßes Kind!
Da draußen weht der Wind.
Er rüttelt an dem Tannenbaum;
da fliegt heraus ein schöner Traum;
der fliegt durch Schnee, durch Nacht und Wind
geschwind, geschwind zum lieben Kind
und singt von lust'gen Dingen,
die's Christkind ihm wird bringen.

Schlaf ein, mein süßes Kind!
Da draußen bläst der Wind.
Doch ruft die Sonne: »Grüß' euch Gott!«
Bläst er dem Kind die Backen rot,
und sagt der Frühling: »Guten Tag!«
bläst er die ganze Erde wach,
und was fein still gelegen
das freut sich allerwegen.

Drum schlaf mein süßes Kind,
bläst draußen auch der Wind!

 Robert Reinick, 1805 - 1852