Nun war die gute Frau Holle froh, denn jetzt hatte sie einen Knecht für ihr Christkindchen gefunden, und zugleich einen Gehilfen für die Menge von Geschäften, die es auf Weihnachten gibt. Zuerst machte sie nun mit den Engelchen zwei wunderschöne Körbe für den Esel, die wurden aus feinem Stroh geflochten und mit blauen und roten Seidenbändern verziert. Dann holten sie aus der Stadt vom Gerber schönes rotes Leder, davon nähten sie einen Sattel und Zaum und rings herum wurden silberne Glöckchen gesetzt, so dass es immer leise klingelte, wenn das Eselchen sich bewegte. Dem Grauchen gefiel es sehr wohl in dem schönen Stall bei den zwei weißen Kühen und bald hatte es das Christkind fast noch lieber als den Nikolaus, denn es brachte ihm jeden Tag süßes Zuckerbrot und streichelte und liebkoste es.

Unterdessen durchstreifte der Nikolaus wieder Wald und Feld, um sich neue Reiser und Gärten und Ruten zu suchen, wobei er fortwährend auf die einfältigen Engelein schalt, die ihm seine schönen Ruten verbrannt hatten. Wenn er aber dann am Abend heimkam, hatten sie ihm immer ein Lieblingsgericht gekocht, bald Linsensuppe mit Bratwurst, bald Sauerkraut und bald Kartoffelklöße. Da ward er wieder vergnügt, ließ es sich schmecken und setzte sich dann an’s Feuer, um Ruten zu binden. Christkindchen saß neben ihm, nahm die Ruten und wickelte schöne Gold- und Seidenbänder darum, damit die Ruten doch nicht ganz so entsetzlich aussahen.

„Mache nur immer Deinen Firlefanz daran“, knurrte der Nikolaus, „die spürt man doch, wo sie hinfahren!“ Damit schwang er eine Rute durch die Luft, dass es einen lauten Ton gab und die Engelchen ganz erschrocken in die Erde flüchteten.

So verging der Spätherbst, die Blätter fielen alle von den Bäumen, der Wind pfiff laut über die Ebene und dem Mühlbach verging das Rauschen und Murmeln, denn er war fast zugefroren, da sagte die Frau Holle: „Morgen, Kinder, gibt es einen lustigen Tag; da wollen wir einen ungeheuren Vorrat von Lebkuchen, Anisgebacknes und Marzipan backen, dass mein Christkindlein am Weihnachtsabend mit vollen Händen austeilen kann. Du, Nikolaus, bleibst hübsch zu Hause und sorgst für die Lebkuchen, das ist Dein Geschäft und backe sie nur so schön braun, wie Dein Gesicht ist. Christkindlein aber macht das Anisgebackene und das Marzipan, weil dies ebenso fein und weiß ist, wie mein Kind. Honig für die Lebkuchen ist genug da; die Bienchen, die den Sommer über unsere Blumen auf der Höhe benaschten, haben einen großen Vorrat in’s Haus geschleppt. Das Mehr holt unser Grauchen heute Nacht drunten in der Mühle und die übrigen Sachen sind schon alle da. Ist es Euch recht so?“ Alle riefen: „Ja, ja!“ nur der Nikolaus, der immer etwas zu knurren hatte, sagte: „Jetzt soll ich auch noch Lebkuchen backen, ich habe es längst wieder verlernt.“

„Wirst es schon noch können, alter Brummbär“, antwortete Frau Holle lachend, und richtig – am andern Morgen war er zuerst auf, heizte den großen Backofen ein und ging an’s Werk. Er nahm Honig in eine Schüssel in eine Schüssel, die war fast so groß, als die goldenen Badewanne, in der Frau Holle sich mit den Englein wusch, tat Mehl hinzu, Pfeffer, Nägelein und Zimt und fing an mit seinen großen Händen Alles durcheinander zu kneten. Bei ihm ging Alles in der größten Ruhe und Ordnung vor sich, denn er war ja ein Mann und da muss jedes Ding seinen regelmäßigen Lauf haben. Um so lustiger und unruhiger aber war es nebenan, wo das Marzipan und Anisgebackene verfertigt wurde. Gott, war das ein Getrappel und Gelaufe, ein Gekicher und Geschwätz – man konnte sein eigenes Wort nicht verstehen! Da kniete ein Engelchen vor einem ungeheuren Mörser und stieß Zucker fein, dort saß ein Anderes und las den Anis aus, ein Drittes rieb Zitrone ab, ein Viertes schlug die Eier auf, ein Fünftes stäubte das Mehl durch den Sieb, ein Sechstes hackte Mandeln, ein Siebentes malte den Zimt und Viere bis Fünfe hielten am Rand eine großmächtige Schüssel fest, vor der das Christkindchen stand und mit einem langen Löffel den Teig herumrührte.

Zuweilen ward der Lärm so arg, dass der Nikolaus mit seinen Händen voll braunen Teig an der Türe erschien und Ruhe gebot. Da ging aber der Spektakel erst recht los; sie stürzten Alle auf den Nikolaus ein: „Hinaus“, riefen sie, „Du brauner Kerl, hinaus! Du machst uns unser weißes Gebackne schwarz!“ Dabei schlugen sie mit den leeren Mehlsäcken nach ihm, dass er so weiß ward, wie der Müller drunten in der Mühle. Nun war aber der Nikolaus auch nicht faul; er fasste mit seinen braunen Händen nach rechts und links, und wo er ein Engelchen erwischte, klebte er ihm mit dem klebrigen Honigteig den Mund zu, dass ihm für diesen Tag das Sprechen und Lachen verging. Das war ein rechter Jammer! Frau Holle und Christkindchen mussten oft so lachen, dass sie nicht mehr fortarbeiten konnten. Da war es kein Wunder, wenn der Nikolaus früher fertig ward, als die Frauenzimmer. Sie hatten kaum erst einige Hunde, Katzen, Pferde und die dicken Männlein von Anis und Marzipan fertig gebracht, als der Nikolaus schon rief: „Nun kommt und seht!“

Sie liefen Alle in seine Stube, da duftete es köstlich und in langen Reihen lagen Tausende und Tausende von Odenwälder Honiglebkuchen aufgeschichtet. Viel Abwechslung war gerade nicht dabei; sie waren entweder rund oder herzförmig und in der Mitte hatte der Nikolaus ein Bild hineingedrückt, nach seinem absonderlichen Geschmack. Gewöhnlich war es Adam und Eva im Paradies oder auch ein Reitersmann und zuweilen das liebe Christkind selbst, mit einer Strahlenkrone auf dem Kopf. Um das Bild herum war mit schönen weißen Buchstaben ein Vers gemalt. Weil aber der Nikolaus nicht recht schreiben kann, so kann man ihn auch nicht recht lesen und es ist darum allen Kindern zu raten sich nicht weiter den Kopf darüber zu zerbrechen, sondern ihn ungelesen zu verzehren.

Frau Holle lobte den Nikolaus sehr wegen der schönen Arbeit, die er gemacht und trieb nun die Andern wieder tüchtig an’s Werk. Sie schämten sich nun vor dem Nikolaus und eilten sich mehr als zuvor. Bald roch der ganze Böllstein so gut wie eine Hofküche und bis zum andern Morgen lagen ganze Gebirge von Marzipan und Anisgebacknes fertig.

Als es Abend ward, zog Frau Holle dem Nikolaus ihren Pelzrock an und setzte ihm die Pelzmütze auf, füllte die Körbe des Eselchens mit Zuckerwerk und Ruten, legte ihm sein rotes Geschirr um und hob dann das Christkindchen, das seine schönsten Kleider an hatte, auf den Sattel. Der Nikolaus warf noch seinen Sack voll Nüsse und Äpfel über die Schulter, nahm dann die Zügel in die Hand und fort ging es durch die dunkle Nacht den Berg hinab zu den hellen Wohnungen der Menschen. Frau Holle aber steckte sich schnell in ihr warmes Bett und war froh, dass sie nicht mehr hinaus und dann auf einem Zwirnsfaden heim reiten musste.

Wie nun aber die Beiden den Berg hinunter waren, hielt der Nikolaus den Esel an und fragte: Liebes Christkindchen, ehe wir weiterziehen, möchte ich zuerst nach den Kindern in der Mühle sehen, die waren immer lieb und brav und pflegten mein Eselchen, wenn ich es einmal im Stall allein lassen musste.“

„Das ist mir ja schon recht, lieber Nikolaus“, antwortete das Christkind und so ritten sie dann ganz stille bis an die Mühle und sahen durch das Fenster hinein in die Stube. Das war sehr leicht, denn die Müllerin war eine brave Frau und die Scheiben immer blank geputzt. Auch die Lampe brannte schön hell und um sie herum, an dem blanken Tisch saßen das Gretchen der Karl und der Peter. An ihrem Ansehen konnte man gleich merken, dass es brave Kinder waren, denn sie trieben keine Unarten, sondern Jedes war mit einer Arbeit beschäftigt. Das Gretchen half der Mutter Äpfel schälen, weil am nächsten Tag Sonntag war und die Müllerin den Kindern versprochen hatte, ihnen einen großen Apfelkuchen zu backen. Der Karl saß über einem Buch, hielt sich beide Ohren zu und murmelte immer vor sich hin, dabei war er ganz hochrot im Gesicht von der Anstrengung. Er hatte für den Herrn Schulmeister ein Lied den Sonntag über auswendig zu lernen und hatte sich gleich am Samstag Abend darüber gesetzt, wie dies die fleißigen Kinder tun. Der kleine Peter malte ruhig auf seine Schiefertafel Hunde und Katzen und wenn diese auch eher Mehlsäcken und Brotleiben glichen, so lag ja nichts daran.

Wer da draußen vor dem Fenster stand und ihnen zusah, das wussten die Kinder freilich nicht und sollten sie auch nicht wissen. Leise, leise griff Christkindchen in den Korb mit den Zuckersachen und legte für jedes Kind ein großes Stück auf das Fenstersims. Eine Rute dazulegen, das war bei so lieben Kindern ganz überflüssig.

Wer aber den Nikolaus und das Christkindchen beinahe verraten hätte, das war das Grauchen. Er kannte die Mühle und die Kinder gar wohl und freute sich, sie zu sehen. So reckte er dann die langen Ohren in die Höhe, bewegte den Kopf wie zum Gruß, so dass die silbernen Glöckchen an dem roten Zaum hell erklangen und reif ein freudiges „I -ah!“ Wie flogen da die drei blonden Köpfe in der Stube von der Arbeit empor und wie neugierig starrten die blauen Augen nach den angelaufenen Fensterscheiben.

„Mutter, das war unser Grauchen, dem Nikolaus sein Grauchen!“ rief Karl, stürzte an das Fenster und die Andern hinter ihm drein. Aber, sie kamen viel zu spät, husch, husch! Waren der Nikolaus, das Christkindchen und der Esel wieder in Nacht und Nebel verschwunden, nur ganz von ferne hörte man noch die silbernen Schellchen klingen. Ganz betrübt sahen die Kinder einander an, da sagte die Müllerin: „Aber da draußen vor dem Fenster steht etwas, seht nur, ein Reitersmann von Marzipan, eine Wickelpuppe von Anisgebackenem und ein großer Herzlebkuchen!“ Die Müllerin machte das Fenster auf, holte die Zuckersachen herein und nun wollte die Freude und der Jubel gar kein Ende nehmen.

„Seht Ihr, dass ich Recht hatte“, sagte Karl, „da ist wirklich der Nikolaus mit seinem Eselchen und dem Christkindchen draußen gewesen.“

„Was sprichst du da von einem Christkind?“ fragte die Mutter.

„Ja, so ist es“, rief Gretchen, „der Nikolaus ist jetzt mit seinem Esel droben auf dem Böllstein bei der guten Frau Holle und dem lieben Christkind, das hat er uns Alles erzählt. Und wenn wir brav sind, bringt er uns zu Weihnacht einen Zuckerbaum und viele schöne Sachen!“ „Wenn ich nur das Eselchen gesehen hätte“, sagte der kleine Peter.

„Weißt Du, Peterchen, war wir tun“, rief Karl, wir legen morgen Abend dem Grauchen ein Bündelchen Heu vor die Türe, zum Dank, weil wir so gute Sachen bekommen haben.“

„Und das Heu stecken wir in unsere Schuhe“, setzte Gretchen hinzu, „damit der Wind es nicht fortjagt.“

So wurde es wirklich gemacht; die dankbaren Kinder steckten am andern Abend Heu in ihre kleinen Schuhe und stellte sie vor die Türe. In der Nacht kamen richtig wieder der Nikolaus, das Christkind und der Esel, der schon von Weitem das gute Heu witterte. Er blieb stehen, fraß es und der Nikolaus, den nichts so sehr freut, als wenn man seinen Esel gut behandelt, steckte einen großen, roten Apfel in jeden Schuh; dann zogen sie weiter. Als aber nun am Montag Morgen die Lisbeth die Schuhe für die Müllerkinder herein holte, lag statt des Heues in jedem ein schöner Apfel. Das hatten sie nicht erwartet und waren ganz toll vor Freude. Als sie in die Schule kamen, hatten sie gar nichts Eiligeres zu tun, als die große Neuigkeit allen Kindern zu erzählen. Die liefen nach Hause, stellten auch ihre Schuhe vor die Türe, steckten auch Heu hinein und fanden am andern Morgen statt dessen einen dicken roten Apfel. Bald wussten alle Kinder im ganzen Lande die Geschichte von dem Esel und dem Heu, und das Grauchen bekommt so viel zu fressen, dass es immer noch lebt, obgleich es schon seit vielen hundert Jahren mit dem Nikolaus und dem Christkind in der Welt herum zieht. So ein Apfel, der des Nachts in den Schuh gesteckt wird, schmeckt aber auch zehnmal süßer, als der beste Zehnuhrapfel der Mama.

So reiten denn die Drei jedes Jahr von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt, von Haus zu Haus, sehen durch die Fenster, wo die guten und die schlimmen Kinder sind, bringen Zuckerwerk oder Ruten, wie es eben passt, bis endlich Weihnachten, des lieben Christkindleins Geburtstag kommt. Da wird es am allerschönsten!

Wenn es dann Abend geworden und die große Glocke auf dem Kirchturm fünfmal: bum, bum, bum, bum, bum! geschlagen hat, wird es in allen Häusern so helle, wie damals droben auf der Böllsteinerhöhe, als der Klapperstorch das liebe Kindlein zur Frau Holle brachte, und es jauchzt und jubiliert in den Stuben, gerade so laut, wie es damals die Engelein machten. – Jetzt ist Christkindleins heimliches Werk zu Ende und Alles wird offenbar, was es mit den Eltern zu tuscheln und abzumachen hatte. Da prangt für die guten Kinder der bunte Christbaum und stehen die prächtigen Spielsachen umher und sie nehmen sich fest vor im folgenden Jahre noch lieber und artiger und dadurch dem guten Christkindchen ihren Dank zu beweisen. –

Nikolaus und Christkindchen sind aber jetzt gar müde und matt. Während die Freude und das Glück, das sie gebracht, in allen Häusern lebendig sind, ziehen sie still hinauf auf ihren Böllstein, stecken sich in ihre warmen Betten und schlafen sich darin aus, bis es wieder Zeit wird, an die neue Weihnacht zu denken. – In dieser Weise geht es nun schon viele, viele, viele, Jahre lang; der Nikolaus hat unterdessen einen langen, weißen Bart und schneeweiße Haare bekommen und er ist noch mürrischer als zuvor, denn die Weihnachtsarbeit wird ihm manchmal recht sauer. Das liebe Christkind aber verändert sich nicht; es bleibt ewig jung und ewig schön und ist den artigen Kindern noch eben so gut, wie am ersten Tage. Die Frau Holle hat sich schon längst ganz zur Ruhe gelegt, man sieht und hört nichts mehr von ihr; ihr weiches Federbett hat das Christkind geerbt und an dem haben nun die Engelein zu schütteln und zu rütteln. Wenn ich Euch nicht die Geschichte der Frau Holle erzählt hätte, so wüsstet Ihr gar nicht, dass sie jemals da gewesen. – Die Engelein aber sind noch immer so toll und lustig wie vor alter Zeit und wenn der Georg und das Mathildchen immer so lieb sein wollen, wie das Christkind, dürfen sie auch manchmal so toll und mutwillig sein, wie das kleine Volk droben auf der Böllsteinerhöhe.

Luise Büchner, 1821 - 1877