In einer großen Stadt da war eine kleine enge Gasse und darin stand ein schmales hohes Haus. Unten im dem Haus war ein kleiner Kaufladen, fast wie ein Keller so trüb und feucht, und ein Glöcklein an der Tür schellte besonders abends fast an einem fort.

In dem kleinen Laden war alles mögliche zu haben: Zucker und Kaffee, Rauchtabak und Schnupftabak, Essig und Öl, Käse und Heringe, auch Knöpfe, Nägel, Seife und Lichter, Butter und Eier und noch eine ganze Menge anderer Sachen; die Krämerfrau wusste selbst nicht, was sie alles in ihrem Laden hatte. Viel Schönes aber war es gerade nicht; es kamen auch nur die armen Leute, die in der engen Gasse wohnten und holten das Allernötigste, was sie brauchten; in den Spalt an dem Ladentisch fielen fast bloß Kupferkreuzer.

Der kleinen Margret, die immer bei der Mutter im Laden war und ihr schon ein wenig helfen durfte, der kam das doch recht viel Geld vor, und sie wusste nicht, warum die Mutter oft so betrübt war, wenn sie am Abend die kleine Schieblade herauszog und das Geld darin zählte. Margret war noch klein, sie konnte kaum mit dem Kopf recht über den Ladentisch heraussehen; aber sie freute sich sehr, wenn sie etwas herbringen durfte für die Leute, die kauften, und sie trippelte gar geschäftig hin und her, der Mutter zu helfen.

Neben dem Laden war noch ein Stübchen, klein und trübselig wie der Laden selbst; darin standen das kleine Bettchen, indem Margret schlief, und hinter einem grünen Vorhang die Betten der Eltern. In einem davon lag schon viele Monate lang der kranke Vater, und es sah aus, als werde er wohl nicht mehr aufstehen. Der Vater war einmal Diener und Gehilfe bei einem reichen Kaufmann gewesen; dort war ihm beim Abladen von einem Wagen ein Fässchen auf die Brust gefallen und seither war er nicht wieder gesund worden. Da er keine Dienste mehr leisten konnte, so hatte ihm der Kaufmann geholfen, dass er den kleinen Laden mieten konnte; er war nicht lange im Stande gewesen, selbst darin zu verkaufen, seit zwei Jahren schon musste die Mutter alles darin allein tun.

Die kleine Margret trippelte dann wohl oft zu ihm hinein und bracht ihm Wasser oder etwas Zucker, wenn sein Husten so schlimm wurde, sie saß auch manchmal an seinem Bett und er erzählte ihr mit seiner schwachen Stimme; aber es wurde ihr etwas bang in der dunklen Stube und sie wollte lieber wieder heraus in den Laden. „Weißt du, Vater,“ versicherte sie ganz ernsthaft, „die Mutter hat so arg viel zu schaffen; da muss ich ihr helfen, sie wird sonst gar nicht fertig.“

„Armes Kind!“ seufzte der Vater für sich.

„Wir sind nicht arm, wir haben viel, viel Kreuzer,“ tröstete ihn Margretchen, „in dem Loch im Tisch draußen.“

Heute war ein gar geschäftiger Tag im Laden, die Mutter hatte noch wenig Zeit gehabt, nach dem kranken Vater zu sehen oder nach der kleinen Margret; die trippelte heute besonders emsig hin und her, und so oft jemand aus dem Laden ging, lief sie nach bis unter die Tür und schaute hinaus; draußen aber wehte ein scharfer, kalter Wind und Margretchen kam ganz erfroren mit einer roten Nasenspitze wieder herein.

„Aber, Kind, so bleib‘ doch im Laden!“ rief die Mutter, „Du erfrierst ja draußen.“ „O Mutterchen,“ sagte die Kleine, „heut ist’s Christabend! und Nachbars Röschen hat mir gesagt, dass jetzt das Christkind durch die Straßen geht in einem silbernen Kleidchen mit goldenen Flügelein, und neben ihm geht das Palmeselein, das hat silberne Körbchen anhängen, darin sind schöne Sachen für liebe Kinder. Und, Mutterchen, alle Fenster werden goldig hell von vielen Lichtern, o lass mich nur hinaus und ein bisschen sehen! Draußen ist’s noch nicht so dunkel wie im Laden.“ Die Mutter zündete die dünne Lampe an und legte freundlich ihre Hand auf Margrets Köpfchen. „Bleib nur bei mir, Kind!“ sagte sie; „draußen ist’s so kalt und du würdest verloren gehen auf der dunklen Straße. Wenn du fein artig bist, so kommt das Christkind vielleicht auch zu dir; jetzt hilf mit nur, da sitz‘ auf deinem Schemel! sieh, da hast.

 Ottilie Wildermuth, 1817 - 1877